Workshop No. 3 Music Industry and Free Culture – documentation

Workshop No. 3 Music Industry and Free Culture – documentation

Date: 
28.01.2011 16:00
Format: 
Workshop
Andrea Goetzke
Andrea Goetzke

Free Culture Incubator Workshop No. 3: 'Music Industry and Free Culture', hosted by Andrea Goetzke, took place on Friday 28 January 2011 from 16:00 - 20:00, followed by an informal get-together 20:00 - 22:00.

This documentation is available only in German!

"Unsere Analysen ergeben, dass nie zuvor so viel Geld für Musik und musikbezogene Aktivitäten ausgegeben wurde wie heute. Die Frage ist, bei wem es ankommt." (Scott Cohen, The Orchard)


"Wir können da gar nichts machen: Entweder der Markt wird politisch, rechtlich und technologisch geregelt, oder ich muss die Hälfte meiner Mitarbeiter entlassen und wesentlich kleinere Brötchen backen." (Indielabel Betreiber)


"Es gibt ganz klar ein Kundenversagen. Die Musikindustrie macht alles richtig." (Musikverleger)


"Das Entscheidende ist der Fan und meine Beziehung zu ihm. Wie komme ich an ihn ran, wie kann ich ihn begeistern und wie bringe ich ihn dazu, mich zu unterstützen." (Musiker)

 

*Statements von Teilnehmern der all2gethernow Musik-Konferenz in Berlin, September 2010

 

Dieser Workshop mit Andrea Goetzke und Wolfgang Senges beleuchtete die aktuelle Situation von Musikwirtschaft und -kultur unter dem Gesichtspunkt von "Free Culture": Seit ihren Anfängen ist die Musikgeschichte vom freien Umgang mit schöpferischen Werken und Ideen gekennzeichnet. Noch nie aber waren die kreativen Verschränkungen der Urheber so intensiv wie heute und die Möglichkeiten für Vervielfältigung des künstlerischen Werks in allen seinen analogen wie digitalen Formen so immens.

Dieser Workshop für Musiker, Produzenten, Labelbetreiber und andere ging vom Konzept von "Free Culture" als Impuls und Perspektive aus, um angesichts der aktuellen Situation der Musikwirtschaft nach wirtschaftlich und künstlerisch nachhaltigen Modellen zu suchen sowie ganz praktische Hilfestellungen für die tägliche unternehmerische und kreative Arbeit der Szene zu geben.

 

Der erste Teil des Workshops gab einen Überblick über Philosophie, praktische Ansätze, Werkzeuge und Projekte, die Free Culture und Musik zusammenbringen. Der Begriff "Free Culture" kommt aus der Debatte um eine Neustrukturierung des Urheberrechts in der digitalen Welt. Nach einer Einführung in Ideengeschichte und Umfeld wurden konkrete Werkzeuge, wie Creative Commons Lizenzen, existierende Projekte, sowie auch die Frage nach Geschäftsmodellen und Nachhaltigkeit freier Kultur speziell in der Musikwirtschaft diskutiert.
http://musicasculture.org/

Im zweiten Workshop Teil ging es konkret darum, wie Instrumente und Ideen von Free Culture als Inspiration für die eigene Berufspraxis angewandt werden können. Wie kann ich z.B. mit Creative Commons Lizenzen wirklich praktisch arbeiten? Welche Möglichkeiten der Finanzierung gibt es für kulturelle Inhalte, die ich online zur Verfügung stelle? Solche und weitere Fragen und Anliegen der Teilnehmer standen hier im Vordergrund.

"Freie Kultur" ist aber auch ein Begriff, der weiteres Nachdenken herausfordert. Was bedeutet "Freie Kultur" eigentlich? Wie stellen wir uns eine freie und nachhaltige Musikkultur idealerweise vor? Und wie kommen wir da hin? Bieten die Probleme der großen Musikunternehmen und Major Labels und die derzeitigen Veränderungen in der Musikwirtschaft eine Chance für eine freie und unabhängige Kultur? Wie möchten wir die Rollen und Prozesse im Bereich Musikwirtschaft und -kultur neu gestalten?

Grundlage des Workshops war diese Prezi, zusammengestellt von Andrea Goetzke und Wolfgang Senges:

http://prezi.com/0abtsodbkngc/free-culture-incubator-workshop-3-free-culture-und-musikwirtschaft/.

 

 
Dieses Dokument ist ein idealer Einstieg in das Thema und fasst alle Themen sehr informativ zusammen.  

Was ist lizenzfreie Musik eigentlich?
Lizenzfreie Musik ist Musik die keiner Verwertungsgesellschaft ( z.B. Gema, BMI, Ascap ) unterliegen. Es fallen somit keine Gebühren für eine Verwertungsgesellschaft bei öffentlicher Aufführung an. Vor der Benutzung lizenzfreier Musik müssen die jeweiligen Nutzungsrechte beim Anbieter eingeholt werden. Meist fällt aber nur eine einmalige Lizensierungs-gebühr für die Nutzung an.
 
Wie funktioniert die GEMA? (Quelle: Wikipedia)
Für die Verwertung musikalischer Werke sind Gebühren an den Urheber zu zahlen. Diese Gebühren zieht die GEMA in Deutschland stellvertretend für den Urheber ein. Die Einnahmen aus den GEMA-Gebühren werden über einen Verteilerschlüssel, der sich aus der Anzahl der angemeldeten Kompositionen ergibt, an die Urheber weitergegeben. Die GEMA fordert für jede Gelegenheit eine spezielle GEMA-Anmeldung, die sich an den jeweiligen Bedürfnissen orientiert. Für jede geplante Aufführung GEMA-pflichtiger Musik muss eine GEMA-Anmeldung ausgefüllt werden und die Gebühr entrichtet werden. Lediglich durch die Verwendung GEMA-freier Musik kann man dieser Verpflichtung entgehen.
 
Kritik an der GEMA (Auszug /Quelle: Wikipedia)
# Nach den Vertragsbedingungen ist jedes Mitglied verpflichtet, jedes einzelne seiner Werke anzumelden, sofern dafür öffentliches Aufkommen zu erwarten ist. Einzelne Werke unter einer anderen (zum Beispiel einer freien) Lizenz zu veröffentlichen, ist für sie nicht mehr möglich, außer man klammert bestimmte Nutzungsformen, zum Beispiel Nutzung der eigenen Werke im Internet, in einem neuen Vertrag aus.
# Die übliche Vertragslaufzeit für Angehörige der EU-Mitgliedstaaten beträgt drei Jahre. Einmal angemeldete Werke können in der Regel nicht ohne weiteres wieder freigegeben werden, da dem anderweitige Verträge der GEMA mit Kunden entgegen stehen.
# Als weitere Kritikpunkte werden auch mangelnde Verteilungsgerechtigkeit und geringe Transparenz der GEMA angeführt. So kritisiert die Independent-Künstlerin Barbara Clear, dass sie für die Anmietung der gleichen Konzerthalle im Jahr 2004 2.007 Euro, 2005 459 Euro und 2006 1.233 Euro zahlen musste.
# Weiterhin wird kritisiert, dass es ein Missverhältnis zwischen Einnahmen und Ausschüttungen im Bereich der Aufführung von U-Musik und bei Musikaufführungen gebe. Die GEMA erklärt den Unterschied mit dem hohem Erfassungsaufwand bei diesen Veranstaltungen. Die so genannten Musikfolgen müssen immer noch manuell erfasst werden und bedürfen einer Unterschrift, um als rechtskräftige Dokumente zu gelten.
# Die GEMA führte Anfang des Jahres 1998 das neue Hochrechnungsverfahren PRO ein. Dieses neue System zur Verteilung der Tantiemen führt für einen Teil der Mitglieder zu deutlichen Mindereinnahmen, da häufig gespielte, aber selten gemeldete Werke in der Verrechnung aufgewertet wurden. Tanzkapellen, Alleinunterhalter etc. spielen Standardrepertoire, fühlen sich aber häufig nicht veranlasst, die sog. Musikfolgen auszufüllen, denn zu ihnen als Nicht-Urheber fließt ja kein Geld zurück. Interpreten eigener Werke hingegen melden mit fast 100-prozentiger Quote die Aufführungen ihrer Werke, weil ihnen dafür GEMA-Tantiemen zustehen.
# Auch Urheber, die Interpreten ihrer eigenen Werke sind, müssen – sofern sie selbst als Veranstalter auftreten – die Veranstaltungsgebühren an die GEMA abführen. Bei mehr als 80 % eigenem Repertoire können sie mit der so genannten Nettoeinzelverrechnung (auch: Direktverrechnung) diese Beträge zurückerwarten – abzüglich einer Bearbeitungsgebühr. Dies allerdings nur, wenn sämtliche Urheber einer Veranstaltung erfasst sind, was zum Beispiel bei Festivals und für Vorgruppen nicht vorgesehen ist.
# Ein Urheber muss, wenn er seine eigene Musik auf seiner Website zum Herunterladen anbieten möchte, GEMA-Vergütungen bezahlen und hierfür einen Meldebogen ausfüllen, obwohl die Tantiemen später ohnehin zu ihm zurückgeführt werden.
# Da Konzertgebühren für den Veranstalter nach Raumgröße und Eintrittspreis berechnet werden, besteht die Gefahr, dass der Veranstalter auf seinen Kosten sitzen bleibt, wenn der eigentliche Verkauf beim Auftritt eines Künstlers die GEMA-Gebühren nicht deckt.
 
Was ist ein Netlabel?
(Quelle: Wikipedia)
Netlabels sind Musiklabels, die ihre Musik primär über das Internet vertreiben. Häufig sind es selbstorganisierte, nicht kommerzielle Do-It-Yourself-Projekte von Musikern und Musikliebhabern, die in aufbereiteter Form in einem Labelkontext ihre oder die von Freunden produzierte Musik über das Internet zur Verfügung stellen. Hier eine nähere Definition:

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Netlabel


Übersicht diverser Netlabel:

http://phlow.de/netlabel

http://www.notheen.com/?page_id=7

http://netlabelism.com/

 
Zoe Leela, eine der Workshop-Teilnehmerinnen, stellte ihren eigenen Ansatz vor. Seit einigen Monaten bietet sie ihre Songs als kostenlose Downloads auf einem Netlabel an und hat damit beste Erfahrungen gemacht:
 

zoe.leela - ugly / video by s. fink from bilderwilderer on Vimeo.

 
Hier auch ein Video mit Zoe Leela, in dem sie ausführlich über ihre musikalische Strategie spricht:
 

undertube #88 // Berlin // Zoe.Leela von undertube  

 
Es gibt noch zahlreiche andere inspirierende Beispiele, wie man aus der Kombination von Musik und Free Culture interessante (Mehr)-werte generieren kann:
Hier etwa beschreibt Jonathan Coulton, wie es ihm mehr oder weniger "zufällig" gelang, sich seinen Lebensunterhalt als Musiker zu verdienen:

"In 2005 I left my day job writing software to pursue music full time. To keep myself busy I released a new song on this website every week for a year in a project called Thing a Week. A few of those songs became big internet hits (my folky cover of Sir Mix-a-Lot’s “Baby Got Back“, a funny video called “Flickr“, a song called “Code Monkey“), and I am now fortunate enough to make my living as a musician."

http://www.jonathancoulton.com/primer/info/  

Neben den rechtlichen Aspekten wurde während des Workshops auch viel über das Thema Finanzierung diskutiert. Dazu wurde SellaBand als eine der ersten Plattformen genannt, die es geschafft haben ihre Musik von Fans finanzieren zu lassen:
https://www.sellaband.com/

SellaBand hat bereits im Jahr 2006 mit dem Crowdfunding begonnen. Mittlerweile gibt es zahlreiche andere Plattformen und Ansätze, wie man mit Hilfe der Fans bzw. der Community Projekte finanzieren kann. MyMajorCompany etwa ist auch ein sehr gutes Beispiel, wie Fans zu Investoren werden: zwischen 10 und 1000 Pfund können die Fans für die unterschiedlichen Bands des britischen Labels investieren. Andere Crowdfunding-Plattformen wie beispielsweise Kickstarter.com oder die deutsche Initiative www.startnetxt.de sind thematisch breiter aufgestellt und fördern Projekte aus dem Kunst-und Kreativumfeld.
Wenn es um die Frage nach der Bezahlung von freier Musik geht, gibt es auch einige interessante Ansätze. Mit am Bekanntesten ist sicherlich Flattr, eine Micropayment- Plattform.
Hier ein kurzes Video, wie dieser neuartige Online-Bezahldienst genau funktioniert:
 

 
Ideen und Feedback der Workshop-Teilnehmer:

Stephan Siedler fasst seine Ideen so zusammen: "Sehr hilfreich ist eine zentrale, internationale Plattform wo 'die gesamte Musik' aufgeführt ist, mit der Info wo ich sie prelisten, streamen, downloaden kann, aber auch die Verwendung in Shops sowie die Lizenzierung für Filme, Werbung sollte idealerweise geregelt sein. Alle Songs sollten eine eindeutige ID haben, zu diskutieren wäre ein automatisches Tracking bzw. auch eine Meldung wenn der Song gestreamt, heruntergeladen etc. wurde. Letztendlich soll die Musik mittels offenen Schnittstellen, API zur kreativen Nutzung von neuen Anwendungen einsetzbar sein."

 

Für Thomas Ternes liegt nun der Fokus auf den vielfältigen neuen Vertriebsmöglichkeiten:
"(...) Ich persönlich finde es unheimlich spannend, die neuen Kommunikations- und Vertriebskanäle die auf Grund der schnell wachsenden Technologie entstehen effektiv einsetzen zu können."

Jens Hildebrandt schickte uns noch ein Links und Inspirationen: "Die Plattform Tonspion für frei zugängliche Musikstücke, bzw. smava als Beispiel für eine Crowdfunding-Plattform. Und hier ein Beispiel auf YouTube, wie freie Musik entstehen kann: http://www.inbflat.net/

Zoe Leela schrieb uns nach dem Workshop: "(...) Ich halte es für unabdingbar die Machtkonzentration bei der Kontrolle der Nutzung der Kultur in Frage zu stellen und über Alternativen nachzudenken. Dies ist uns in dem Free Culture Incubator Workshop #3 allen gemeinsam gut gelungen."

 

„It’s not where you take things from, it’s where you take things to.“ Jean-Luc Godard

Diese Workshop-Serie ist eine Initiative von transmediale / Free Culture Incubator in Partnerschaft mit dem

 

Regionalbüro Berlin-Brandenburg des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Mediapartner:
Motor FM

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Outlook on the workshops to come:

About the partners
We have invited diverse host institutions to take part in the workshop series, ranging from independent creative hubs to state institutions and larger organisations. We have sought host institutions with consistent ethics and goals to the topics we will pursue through the workshops. This decentralised organisational model offers participants the chance to increase their contact networks, familiarise themselves with different venues and institutions around Berlin, as well as connecting local players with international ones.
Partners and hosts of the workshops:

all2gethernow
betahaus
Creative Commons
Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes
Mozilla Drumbeat
Multiplicities
Open Design City
P2P University / School of Webcraft
Public Art Lab
Studio 70 / Hallenprojekt
Sourcefabric
transmediale Festival
Upgrade! Berlin

 

 

How will the workshops be structured?
Each host will offer a workshop theme which is related to the daily practice of the respective venue or institution. Rather than being solely theoretic, the workshops strive to be hands-on and results-oriented. In order to broaden the scope of the workshops and refrain from becoming too Berlin-centric, 1-2 international experts will be invited to each workshop.

Who can participate?

Anyone who has a profound interest in the workshop topics is invited to participate. The only two requirements are: a) an online participation application must be completed, and b) this application must include a description of professional practice and motivation for participation. A maximum number of participants will then be selected from the applications. Participation is free of charge, but each participant will be required to assist in the documentation of the workshop.

Documentation

Each workshop will be documented and made freely accessible online. In doing so, our aim is to create a centralised database of topical information, best practice projects, practical advice, as well as a list of institutions and professionals involved in the fields of free culture and the open web. This ever-growing online resource will become the content basis (i.e. 'toolkit') for future projects.
This workshop series is an initiative of transmediale / Free Culture Incubator, in partnership with

The Federal Government’s Centre of Excellence for the Cultural and Creative Industries

Mediapartner:
Motor FM

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